ITT Von der Art der Ewigen

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Auszug aus dem Dialog "Von der Art der Ewigen" der Philosophin Zaril

Spielwelt(en):Athyria
Urheber:innen:Clemens Winkler
Mitwirkende:
Jahr:2021

…[waren] wir auf dem Platz angekommen. Die Vorbereitungen zum Fest der Stärkung der Sonne waren vollendet und die Anwesenden in Vorfreude. “Wir kommen wohl doch rechtzeitig”, sprach ich. Kalises hatte kein Erbarmen mit mir: “Wir sind aber mit unseren Betrachtungen nicht am Ende, Weise.” Ich lächelte ob seiner Wissbegierigkeit. “In der Tat.” “Und du von allen Leuten wirst doch jetzt nicht abbrechen wollen.” “Auch da hast du recht. Wo waren wir stehen geblieben?” “Du wolltest mir vom Wesen der Ewigen und wie wir es erkennen können.” Ich nickte. “Nun, was glaubst du denn was das Wesen der Ewigen ist?” “Ich denke sie sind von einem beständigeren Wesen als du oder ich.” “Wie kommst du darauf, Kalises?” “Sie waren schon vor der Verherung da. Sie haben uns und alle Völker geschaffen. Sie waren gar schon vor Intaro Rhiannon da. Und nach allem was wir wissen sollen sie auch nach uns nicht vergehen.” “Eine gute Beobachtung”, stimmte ich ihm zu, “doch was für ein Wesen soll das genau sein?” “Wie meinst du, Zaril?” “Ich frage aus was sie bestehen. So wie alles, das existiert aus etwas besteht. Ein Amboß aus Eisen oder ein Kleid aus Wolle. So müssen auch die Ewigen aus etwas bestehen. Also sage mir bestehen die Ewigen aus dem gleichen Wesen wie es ein Kleid tut?” Kalises überlegte kurz: “Nein, nämlich kann Wolle verbrennen und somit vergehen. Die Ewigen können das nicht.” “Und was ist mit einem Berg?”, fragte ich weiter, “kann ein Berg vergehen?” “Nein”, sagte mein Begleiter ohne zögern. Er muss meinen Gesichtsausdruck erkannt und richtig gedeutet haben, denn er fügte an: “Oder nicht?” “Du stimmst mir zu, dass ich mit einem passenden Werkzeug, sagen wir in diesem Fall einer Spitzhacke, einen Stück aus dem Felsen schlagen kann, so wie die Sithir es mit großer Geschicklichkeit vermögen?” “Ja.” “Und wenn ich immer wieder mit der Spitzhacke in den Felsen schlug so hätte ich viele Teile davon. So ich also oft genug ein Stück von dem Berg abschlage, so wird er kleiner bis er letztlich nicht mehr ist?” “Da musst du öfter zu schlagen als du alt wirst, Weise”, lachte Kalises. Ich aber blieb ernst: “Selbst wenn ich es zu Lebzeiten nicht schaffte. Und meine Kinder und Kindes Kinder ebenfalls an dieser Aufgabe arbeiteten. Und alle Generationen nach ihnen wäre der Berg schließlich fort.” “Der Berg wäre schließlich fort”, wiederholte er zustimmend. “Also ist auch ein Berg vergänglich”, führte ich aus, “die Ewigen müssen auch aus einem anderen Wesen sein. Wir haben also Dinge die vergänglich sind und die Ewigen. Die einen müssen aus dem einen Wesen sein und die anderen aus einem anderen.” “Das ist aber unbefriedigend”, stellte Kalises fest, “Und ich lasse es dich damit nicht beenden.” “Das ist auch gar nicht meine Absicht. Aber können wir das Wesen der vergänglichen Dinge vielleicht näher bestimmen?” Kalises überlegte ehe er antwortete: “Ich kann sowohl ein Kleid als auch den Berg anfassen. Sie sind greifbar.” “Sehr gut. Und eine Flamme, ist sie auch greifbar?” “Nein, aber sie kann erlöschen.” “Also zählen wir sie zu den vergänglichen Dingen. Fällt dir bei unseren Beispielen noch etwas auf?” “Hilf mir bitte weiter, Weise”, wurde ich nach kurzer Stille gebeten. “Das Kleid kann nicht ohne dem Stoff sein aus dem es besteht, der Berg nicht ohne dem Fels und die Flamme nicht ohne dem, was das Feuer füttert, wie Öl oder Holz. Sie bestehen aus etwas anderem heraus und sind in ihrem Dasein vom Vorhandensein dessen abhängig. Und ich behaupte, dass die Ewigen in ihrem Dasein nicht von dem Vorhandensein ihres Wesens abhängig sind.” “Wie das?” “Folge mir im Gedanken, lieber Schüler: Wir haben das Material aus dem ein vergänglich Ding, ein greifbares wie du es nennst und dazu wollen wir für unseren Diskurs die Flamme zählen, besteht und wir haben eben jenes Ding. So sagen wir es ist, es existiert.” “Das ist wohl das einfachste. Aber wie geht es weiter?” “Es gibt auch den Fall, dass wir kein Material haben und kein Ding. Wie würdest du dazu sagen.” “Ich würde sagen, dass es nicht ist.” “Und würden wir im Nichtsein die Ewigen suchen, nachdem wir wissen, dass sie sind?” “Nein, würden wir nicht”, stimmte Kalises ein und ich fuhr fort: “Und jetzt, Kalises, nimm an wir haben die Wolle für das Kleid, wir haben sie nach der Kunstfertigkeit des Webers verwebt und nach der Kunstfertigkeit des Schneiders zu einem Kleid genäht und doch kommt kein Kleid am Ende des Prozesses heraus.” “Das ist nicht möglich, Zaril”, rief er aus. “Recht hast”, rief ich begeistert zurück, “aber es gibt noch einen Fall. Nämlich diesen, dass ein Ding existiert ohne dass das dazugehörige Material vorliegt. Und darin finden wir das Wesen aus dem die Ewigen sind.” “Aber was sollen das für Dinge sein?” “Ideen, mein Lieber, Ideen.” Kalises staunte so viel, dass mir klar wurde es bedurfte weiterer Erklärung: “Hast du eine Idee von Zeit?” “Natürlich. So verläuft der Wechsel zwischen Tag und Nacht. Zwischen den Jahreszeiten. Feiern wir nicht heute den Angleich zwischen der Länge des Tages und der Nacht und damit dem Anbrechen der fruchtbaren Zeit?” “So ist es. Nun stelle ein Wesen vor, welches weder Augen hat um hell und dunkel zu sehen, weder fühlen kann ob es kalt oder warm ist, noch sonstige Sinne hat um seine Umwelt wahrzunehmen. Es weiß nichts von allem dem. Würde die Zeit dennoch vergehen?” “Ich nehme an die Zeit würde vergehen. Es gab ja schließlich auch eine Zeit ehe ich geboren war.” “Nun stelle die folgendes vor: Es gäbe weder Tag noch Nacht, noch Winter oder Sommer. Es herrschte immer ein Dämmerlicht bei gleicher Wärme und du siehst eine Ähre im Feld wachsen. Würde dort die Zeit vergehen?” “So seltsam dieser Ort wäre, aber ja. DIe Ähre kann nicht gleichzeitig knospen und in Frucht stehen.” Ich applaudierte: “Und schon hast du einen Ewigen erkannt, mein Lieber! Zeit existiert auch ohne unser Zutun, ohne unsere Wahrnehmung, ohne einem Material”, ich machte eine Pause und sah ihn eindringlich an: “Jetzt magst du aber einwenden:” “Aber ich sehe doch die Sonne aufsteigen und Wolken am Himmel hinziehen.” “Ah, sehr gut”, sprach ich voll Begeisterung, “Das bringt uns zu dem wie wir die Ewigen wahrnehmen.” “Weise, sage mir was meinst du?” “Zunächst: Haben wir immer dasselbe Verständnis von Zeit? Oder ist es so, dass sie uns in angenehmer Unterhaltung davon fliegt und stillzustehen scheint, wenn wir lange warten müssen?” “So ist es.” “Haben wir Zeit dann voll verstanden?” “Nein, wir nehmen sie unterschiedlich wahr.” “Merke dir das. Noch ein Beispiel. Du erinnerst dich an unser Gespräch mit Viann?” “Ja, ihr habt euch über Gerechtigkeit gestritten. Du hast ihn vorgeführt wie seine Vorstellung zu kurz greift.” “Aber ich habe ihn nichts falsches unterstellt. Wir hatten zwei Vorstellungen von der gleichen Sache. Auch wenn die eine Meinung tiefgehender und fundierter war als die andere. Und so können wir uns nun den Ewigen nähern. Wir halten fest das Wesen der Ewigen ist eine Idee. Wenn wir über eine Idee aber unterschiedliche Vorstellungen haben, was heißt das für uns, Kalises?” “Es heißt zwangsläufig, dass wir uns ihr nur in Teilen nähern können.” “Du wirst mich bald überflügeln, wenn du so weitermachst”, lobte ich ihn, “Wir können die Wesen der Ewigen nur anteilig ansichtig werden. Wir können sagen die Wolken sind vorüber gezogen, der Himmel ist wieder klar und damit ist Zeit vergangen. Wir können sagen ob ein Schütze mit seinem Pfeil ein Reh geschossen und den Kadaver eingesammelt hat. Hier hat eine Jagd stattgefunden. Aber bevor du mich fragst ob wir denn mit aller Anstrengung alle Ansichten zu einer Idee sammeln, können wir letztlich die Idee in voller Gänze verstehen lernen und sagen das ist Zeit, das ist Jagd ohne einer Ansicht zu bedürfen. Das weiß ich nicht. Aber ich bin zuversichtlich. Es mag dauern, es mag ein steiniger Pfad sein. Es verhält sich wie mit der Spitzhacke den Berg abzutragen.” “So lass mich etwas anderes fragen, Weise.” “Sehr gerne.” “Wie viele Ideen gibt es?” “Wieder eine sehr gute Frage. Und ich antworte mit einer Gegenfrage: Wußtest du als Knabe zu lügen?” “Das musste ich erst lernen.” “Heute würdest du aber erkennen, wenn dich jemand belügt?” “Ich hoffe doch sehr.” “Und so lernen wir nie aus. Gerade wir Weisheitssuchenden nicht.” “Das heißt wir wissen nicht wie viele Ewige es gibt.” “Wir wissen es nicht.” “Und es könnte damit unzählige geben?” “Das ist anzunehmen.” “Ein weiterer Gedanke, Zaril: Lehren wir im Erbe Intaro Rhiannons nicht die Ewigen?” “In der Tat. Wir schließen daraus eine Idee ist veränderlich aber nicht vergänglich.” “Aber”, unterbrach mich Kalises ehe ich weiter reden konnte, “beantworte mir eines: Heißt es nicht, dass die Ewigen in Zukunft nicht einst ausgelernt haben?” “So sagen manche. Lass es uns ein wenig genauer betrachten. Sehen wir uns zuerst an, was es hieße, dass sie nie auslernen würden. Doch nichts anderes als, dass…”